Arbeitsrecht

20.09.2021

Bundesarbeitsgericht zum Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

„Plötzliche“ Arbeitsunfähigkeit nach Kündigungsausspruch - Im Zweifel muss Arbeit­nehmer krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nach­weisen

In einem Urteil vom 08.09.2021 (Az. 5 AZR 149/21) hat das Bundesarbeitsgericht zu einer Fallkonstellation eine Entscheidung getroffen, die in der Praxis bei Arbeitgebern häufig zu Verdruss führt. Ein Mitarbeiter erhält eine Kündigung und ist gleich darauf „ganz plötzlich“ bis zum Ablauf der Kündigungsfrist arbeitsunfähig krank. Dazu legt er eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor.

Bislang war es so, dass der Arbeitgeber hiergegen wenig ausrichten konnte, da er es war, der den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung „erschüttern“ musste. Und das war faktisch kaum möglich.

In seinem Urteil vom 08.09.2021 hat das Bundesarbeitsgericht den Spieß nunmehr umgedreht. In so einem Fall ist es der Arbeitnehmer, der dann die Arbeitsunfähigkeit darlegen und beweisen muss. Er kann also nicht automatisch mit einer Gehaltsfortzahlung rechnen.

Die Entscheidung ist aus rechtlicher Sicht keine durchschlagende Neuerung. Auch bislang war es so, dass der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert werden konnte, wenn konkrete Umstände dies naheliegen, wie beispielsweise Arbeitsunfähigkeit unmittelbar vor oder nach einem Urlaub oder Arbeitsunfähigkeit unmittelbar nachdem ein Urlaubsantrag abgelehnt worden ist.

Dennoch ist die Entscheidung insoweit von Bedeutung als sie ein „Fenster öffnet“ für genau diese Fallkonstellation der „plötzlichen Arbeitsunfähigkeit“ nach Ausspruch einer Kündigung. Die Frage ist, ob dies auch für ähnlich gelagerte Fälle gilt, beispielsweise plötzliche Arbeitsunfähigkeit nach Erhalt einer Abmahnung oder einer anderweitigen Rüge.

 

Gerhard Greiner
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht