Arbeitsrecht
31.10.2019
Abweichung vom „Equal-Pay-Grundsatz“ durch Bezugnahme auf Tarifvertrag
Das Bundesarbeitsgericht hat am 16.10.2019 (Az. 4 AZR 66/18) ein Urteil gefällt, das aufhorchen lässt und insbesondere für die Zeitarbeitsbranche von Bedeutung ist.
In seiner Pressemitteilung Nr. 33/19 fasst das Bundesarbeitsgericht den Kern seiner Entscheidung wie folgt zusammen:
Arbeitgeber, die als Verleiher Leiharbeitnehmer an einen Dritten überlassen, können vom Grundsatz der Gleichstellung („Equal-Pay“) kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung nach § 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG aF nur dann abweichen, wenn für den Entleihzeitraum das einschlägige Tarifwerk für die Arbeitnehmerüberlassung aufgrund dieser Bezugnahme vollständig und nicht nur teilweise anwendbar ist.
Worum geht es dabei?
Nach § 8 Abs. 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) haben Leiharbeitnehmer Anspruch auf gleiche „Bezahlung“ (Arbeitsbedingungen) wie sie Stammarbeitnehmer im Entleiherbetrieb erhalten (sog. Equal-Pay-Grundsatz). Hiervon kann aber gemäß § 8 Abs. 4 AÜG durch Tarifvertrag abgewichen werden. Davon ist in den Tarifverträgen zwischen dem Bundesverband der Personaldienstleister (BAP) bzw. dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) einerseits und den DGB-Gewerkschaften andererseits Gebrauch gemacht worden. Allerdings sind diese Tarifverträge nicht allgemeinverbindlich. Sie gelten also nur zwischen tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Ist ein Arbeitnehmer hingegen nicht tarifgebunden (weil nicht Gewerkschaftsmitglied) können die Vertragsparteien die Anwendung eines solchen Tarifvertrages auf das Arbeitsverhältnis auch im Arbeitsvertrag vereinbaren. Dies geschieht im Wege einer sog. Inbezugnahme auf den einschlägigen Tarifvertrag.
Eine solche Abweichung vom Equal-Pay-Grundsatz durch Inbezugnahme auf einen solchen Tarifvertrag ist allerdings nur dann zulässig, wenn – und das ist nun das Neue an der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts – der Arbeitsvertrag insgesamt auf die Regelungen des Tarifvertrages verweist und er nicht doch wieder durch (den Arbeitnehmer schlechter stellende) Einzelvereinbarungen von den Regelungen des Tarifvertrags abweicht.
Denn, so das Bundesarbeitsgericht, eine Abweichung vom Gebot der Gleichbehandlung berechtigende Vereinbarung setzt nach Systematik und Zweck der Bestimmungen des AÜG eine vollständige Anwendung eines für die Arbeitnehmerüberlassung einschlägigen Tarifwerks voraus.
Es gilt also der Grundsatz „alles“ (dann Abweichung vom Equal-Pay-Grundsatz erlaubt) oder „nichts“ (es bleibt beim Equal-Pay-Grundsatz).
Für die Praxis dürfte das diejenigen Zeitarbeitsunternehmen in „Schwierigkeiten“ bringen, die zwar im Arbeitsvertrag durch Inbezugnahme auf solche Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche deren Anwendung vereinbart hatten, gleichzeitig aber im Arbeitsvertrag durch Einzelregelungen (zu Ungunsten) des Arbeitnehmers ein Stück weit wieder von den Tarifregelungen davon abgewichen sind. Für sie gilt damit der Equal-Pay-Grundsatz mit dem Risiko, Nachzahlungen leisten zu müssen.