Arbeitsrecht

07.06.2019

Arbeitnehmerüberlassung

Mehr als 30jährige Beschäftigung in Kraftwerk war Arbeitnehmerüberlassung und kein Werkvertrag.

Das Landesarbeitsgericht München hat mit Urteil vom 30.04.2019 entschieden, dass seit mehr als 30 Jahren ein Arbeitsverhältnis mit der Betreibergesellschaft eines AKW besteht. Frau X. arbeitete seit Frühjahr 1985 bei dem AKW als Hilfskraft in der Mikroverfilmung. Eingestellt wurde sie von der für das beklagte AKW damals tätigen Gebäudereinigerfirma, die ihrerseits von der Beklagten mit der Erbringung der entsprechenden Leistungen beauftragt wurde. Seit Frühjahr 1987 hat der Vertragsarbeitgeber gewechselt; Frau X. war aber weiterhin auf der Grundlage von Vereinbarungen für das AKW tätig, die als Werkvertrag ausgestaltet waren.

Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass es sich bei dem Vertrag entgegen dessen Ausgestaltung tatsächlich nicht um einen Werkvertrag, sondern um Arbeitnehmerüberlassung gehandelt hat. Das ist nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) dann der Fall, wenn Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in den Betrieb des Entleihers eingegliedert sind und ihre Arbeit nach dessen Weisungen ausführen. Anders bei einem Werkvertrag: hier verpflichtet sich der Vertragspartner, ein sogenanntes Werk herzustellen, also einen bestimmten Erfolg herbeizuführen. Maßgeblich ist, wie der Vertrag tatsächlich gelebt wird.

Im vorliegenden Fall war Frau X. der Beklagten zur Arbeitsleistung überlassen. Nach einer Beweisaufnahme steht für das Landesarbeitsgericht fest, dass Frau X., die seit ihrem ersten Arbeitstag am 15.04.1985 im AKW arbeitete, jedenfalls zu Beginn ihrer Tätigkeit weisungsabhängig in den Betrieb eingegliedert war. Sie wurde von der Beklagten eingearbeitet, musste sich von dieser Urlaub genehmigen lassen und hat die gleichen Tätigkeiten in der Mikroverfilmung verrichtet, wie andere bei der Beklagten angestellte Mitarbeiter.

Wegen der fehlenden Erlaubnis des Verleihers zur Arbeitnehmerüberlassung und Überschreitung der damals geltenden Überlassungshöchstdauer war deshalb rückwirkend zum 15.04.1985 festzustellen, dass kraft gesetzlicher Fiktion ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zustande gekommen ist und der Klägerin die damit zusammenhängenden Rechte aus einer betrieblichen Altersversorgung und auf Jubiläumszuwendungen zustehen.

Die Entscheidung vom 30.04.2019, Az. 4 Sa 511/18 ist nicht rechtskräftig. Revision ist nicht zugelassen.

Quelle: LAG München, Pressemitteilung vom 30.04.2019

Anmerkung Rechtsanwalt Gerhard Greiner:

Die Entscheidung macht deutlich, in welche Gefahr sich ein „Auftraggeber-Unternehmen“ (Einsatzunternehmen) bringen kann, wenn es im Rahmen sog. Werkverträge Mitarbeiter des „Auftragnehmer-Unternehmens“ bei sich einsetzt. Bei unbedachter Vertragsformulierung und -abwicklung hat es unverhofft einen Arbeitnehmer, für den es im Einzelfall nicht unerhebliche finanzielle Verpflichtung zu übernehmen hat; dies ungeachtet sonstiger rechtlicher Unannehmlichkeiten, die in diesem Fall auf das Einsatzunternehmen zukommen können.