Arbeitsrecht
03.10.2024
Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters während der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses – auch dann Pflicht zur Durchführung eines Präventionsverfahrens
Nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 12.09.2024, Az. 6 SLa 76/24, sind Arbeitgeber verpflichtet, auch innerhalb der sog. Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG, §§ 173 Abs. 1, 168 SGB IX, in denen ein schwerbehinderter Mensch noch keinen Kündigungsschutz genießt, ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX durchzuführen.
Diese Entscheidung stellt eine Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dar, das bisher keine solche Pflicht während der Wartezeit sah. Das Landesarbeitsgericht Köln hat daher die Revision zum Bundesarbeitsgericht ausdrücklich zugelassen.
Hier die wichtigsten Punkte:
Präventionsverfahren: Das Gericht betonte, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX durchzuführen, bevor sie einem schwerbehinderten Mitarbeiter kündigen. Dies gilt auch während der Wartezeit, also den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses.
Ziel des Präventionsverfahrens: Das Präventionsverfahren soll sicherstellen, dass alle Möglichkeiten zur Vermeidung der Kündigung ausgeschöpft werden. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit internen und externen Experten, wie der Schwerbehindertenvertretung und dem Integrationsamt.
Konsequenzen für Arbeitgeber: Arbeitgeber müssen nun auch in der Wartezeit sorgfältiger prüfen, ob eine Kündigung wirklich unvermeidbar ist, und gegebenenfalls alternative Lösungen suchen. Unterlässt der Arbeitgeber die Durchführung des Präventionsverfahrens, kann dies zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Denn in einem solchen Fall wird vermutet, dass der Arbeitgeber den schwerbehinderten Arbeitnehmer wegen des nicht durchgeführten Präventionsverfahrens diskriminiert hat. Nur dann, wenn der Arbeitgeber darlegen und beweisen kann, dass er nicht wegen der Schwerbehinderung gekündigt hat (er die Vermutung der Diskriminierung also widerlegt hat), entfällt die Verpflichtung zur Durchführung eines Präventionsverfahren.