SONSTIGES

11.01.2022

Der Vergleich im deutschen und im französischen Recht – Einige Unterschiede

Aus gegebenem Anlass möchten wir Ihnen zum Thema „Vergleich“ einige wesentliche Unterschiede zwischen dem deutschen und dem französischen Recht darlegen. Warum? Zum einen ist es für die Praxis bedeutsam, zum anderen können Missverständnisse in diesem Punkt erhebliche Konsequenzen haben.

Betrachten wir das Ganze zunächst aus Sicht des deutschen Rechts.

Die übliche Ausgangssituation könnte so sein: Zwei Vertragspartner streiten sich über die Zahlungsverpflichtung aufgrund eines zwischen ihnen geschlossenen Vertrages.

Denkbar wäre nun, dass beide bereits außergerichtlich - also ohne Klageerhebung vor einem Gericht - sich auf einen Kompromiss verständigen, indem jeder ein Stück weit nachgibt. Das Ganze wird von beiden Parteien schriftlich niedergelegt. Der Jurist spricht hier von einem Vergleich. Ein Vergleich ist nach deutschem Rechtsverständnis ein „ganz normaler Vertrag“ der Rechte und Pflichten für beide Seiten begründet.

Damit könnte der Streit bereits beendet sein. Denn das deutsche Recht stellt an einen solchen (außergerichtlichen) Vergleich - bis auf wenige Ausnahmen - keine besonderen Formerfordernisse. Vertragstext + Unterschrift beider Seiten; das genügt. An dieser Stelle soll nicht näher auf die Frage eingegangen werden, ob auch ein mündlich geschlossener Vergleich möglich ist. Ja, das ist möglich, birgt aber im Streitfall Beweisprobleme.

Wäre es nun so, dass eine der beiden Seiten ihren Verpflichtungen aus dem Vergleich nicht nachkommt, müsste die andere Seite ihren Erfüllungsanspruch bei Gericht „einklagen“, sie müsste also gesondert Klage erheben. Das mag ein wenig aufwendig sein, aber sie kann sich als Klägerin auf diesen außergerichtlichen Vergleich berufen. Bekommt sie dann vor Gericht Recht, ergeht ein sog. Endurteil aus dem die klagende Seite die Zwangsvollstreckung betreiben kann.

Denkbar wäre aber auch, dass sich beide Seiten außergerichtlich nicht einigen können und eine Seite daher Klage beim zuständigen Gericht erhebt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung wird die Sach- und Rechtslage dann erörtert. Unter Mitwirkung des Gerichts schließen die Parteien dann aber einen Vergleich. Dieser wird vom Gericht protokolliert, beiden Seiten nochmals vorgelesen und von ihnen genehmigt. Damit ist der Rechtsstreit beendet. Der Vorteil: Dieser vom Gericht protokollierte Vergleich stellt einen sog. vollstreckbaren Titel dar. Erfüllt also eine Seite ihre sich aus dem gerichtlich protokollierten Vergleich ergebenden Verpflichtungen nicht, kann die andere Seite sofort die Zwangsvollstreckung einleiten. Sie muss also nicht mehr erneut bei Gericht Klage erheben.

Und nun das Ganze aus der Sicht des französischen Rechts.

Auch hier können die Parteien einen Vergleich (sog. transaction) schließen. Die Ausdrücke „protocole transactionnel“ oder „accord transactionnel“ werden häufig verwendet. Allerdings ist dies immer nur außergerichtlich möglich, nicht aber vor Gericht. Einen gerichtlichen Vergleich sieht weder das französische Recht, noch die Rechtspraxis vor. Beide Seiten sind allerdings beim Vergleichsabschluss nicht so frei wie dies nach deutschem Recht der Fall ist. Sie müssen sich hierbei an bestimmte gesetzliche Vorgaben halten, damit der Vergleich wirksam ist.

Beispielhaft sei genannt:

  • Die Streitigkeit zwischen den Seiten ist in der Vergleichsvereinbarung klar und präzise darzulegen.
  • Die von jeder Seite gemachten Zugeständnisse, müssen echt und gegenseitig sein. Jede Seite muss auf mindestens einen Teil ihrer Rechte bzw. Ansprüche verzichten.

In der Praxis verweist eine nach französischem Recht unterzeichnete Vergleichsvereinbarung auf die Artikel 2044 ff. des Code civil: "Le présent accord vaut transaction au sens des articles 2044 et suivants du code civil" und wird von den Parteien mit dem handschriftlichen Vermerk "Bon pour transaction" unterzeichnet.

Was bedeutet das nun für den Fall, dass eine Seite ihre Verpflichtungen aus dem (außergerichtlichen) Vergleich nicht erfüllt? Muss die Gläubigerseite nun erneut - wie in Deutschland - die Vergleichserfüllung gerichtlich einklagen? Antwort: Nein, muss sie nicht. Stattdessen legt sie den Vergleich durch einen einseitigen Antrag dem zuständigen Gericht vor. Das Gericht prüft dann (vereinfacht ausgedrückt) nur, ob der Vergleich den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

Ist das der Fall, versieht es den Vergleich mit einer sog. Vollstreckungsklausel (clause exécutoire). Anschließend kann der Gläubigerseite die Zwangsvollstreckung einleiten.

Erfüllt der Vergleich hingegen nicht die gesetzlichen Voraussetzungen, wird das Gericht die Erteilung einer Vollstreckungsklausel verweigern. Die Gläubigerseite kann keine Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich betreiben.

Wichtig für deutsche Unternehmen:

Wenn Sie mit einem französischen Unternehmen einen Vergleich schließen, prüfen Sie, welchem Recht der Vergleichsabschluss unterliegt. Unterliegt er französischem Recht, sind auch die strengen Vorgaben des französischen Rechts zu beachten. Andernfalls laufen Sie Gefahr, dass Sie die Vergleichsverpflichtung der anderen Seite nicht durchsetzen können. Der Vergleich ist in diesem Fall für Sie quasi wertlos.

Wichtig für französische Unternehmen:

Wenn Sie mit einem deutschen Unternehmen einen Vergleich schließen, prüfen Sie, welchem Recht der Vergleichsabschluss unterliegt. Unterliegt er deutschem Recht, sind die Voraussetzungen an einen wirksamen Vergleichsabschluss deutlich weniger streng als in Frankreich. Sie können sich nicht ohne Weiteres auf die strengen Voraussetzungen nach französischem Recht berufen.

Wichtig für deutsche oder französische Unternehmen gleichermaßen:

Treffen Sie in einem Vergleich immer auch eine sog. Rechtswahl (welchem Recht soll der Vergleich und die sich hieraus ergebenden Rechte und Pflichten unterliegen) und vereinbaren Sie immer auch eine sog. Gerichtsstandsklausel, also zur Frage, welches Gericht zuständig sein soll (ein deutsches oder ein französisches Gericht), wenn eine Seite ihre Verpflichtung aus dem (außergerichtlich geschlossenen) Vergleich nicht erfüllt. Damit können Sie sich viel teuren Ärger ersparen.

Beachten Sie das alles aber nicht, ist der nächste Streit schon vorprogrammiert (welches Recht soll gelten, welches Gericht ist zuständig?). Der Vergleich kann für Sie unter Umständen wertlos sein.

 

Gerhard Greiner                                                 Benoît Laurin
Rechtsanwalt                                                      Avocat au Barreau de Paris
                                                                           Mitglied der Rechtsanwaltskammer München