SONSTIGES

02.06.2021

Bundesgerichtshof zur Klagezustellung „demnächst“ ins Ausland mit oder ohne beigefügte Übersetzung

Hinter der Aussage "Zustellung demnächst" verbirgt sich ein Problem, das in der Praxis häufiger auftaucht. Es geht darum, ob eine Klage zu Gericht rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist erhoben worden ist und damit die Verjährung hemmt.

Grundsätzlich gilt in Deutschland, dass die Klage erst dann erhoben ist, wenn das Gericht die Klage dem Anspruchsgegner (Beklagter) zugestellt hat.

Nun kann es sein, dass der Kläger seine Klage am 30.12.00 bei Gericht einreicht, die Klage dann aber vom Gericht erst am 20.01.01 des Folgejahres zugestellt wird. Sie wäre damit nicht mehr rechtzeitig im Jahr zuvor erhoben worden. Der Klageanspruch könnte also verjährt sein.

Dem aber schiebt § 167 ZPO einen Riegel vor. Die Vorschrift ist für den Laien schwer verständlich. Sie besagt sinngemäß, dass die Klage auch dann rechtzeitig erhoben ist, wenn, sie noch vor Jahresende eingereicht ist, wenn die Zustellung durch das Gericht an den Beklagten „demnächst“ erfolgt.

Was „demnächst“ ist oder nicht mehr ist, darum wird verständlicherweise gestritten. Vereinfacht ausgedrückt, muss der Kläger alles seinerseits Erforderliche tun, damit die Klage zugestellt wird, beispielsweise, unverzügliche Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses, Angabe der richtigen Beklagtenanschrift etc. Kommt es dann dennoch zu Verzögerungen bei der Zustellung, die nicht im Verantwortungsbereich des Klägers, sondern des Gerichts liegen, ist dies dem Kläger nicht zuzurechnen.

In einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.02.2021 (Az. IX ZR 156/19) ging es um eine Klagezustellung an einen Beklagten in Frankreich. Der Kläger hatte die Klage am 15.12.2015 am Landgericht in D-Stadt eingereicht und in seinem Klageschriftsatz bereits um eine Übersetzung der Klage ins Französische und Bezifferung des für die Übersetzung zu zahlenden Kostenvorschusses gebeten. Den Kostenvorschuss zahlte er nach Bekanntgabe durch das Gericht auch unverzüglich ein. Dann aber kam es wie es kommen kann. Die Übersetzung durch einen vom Gericht beauftragten Übersetzer verzögerte sich über Monate hinweg, sodass die Klage dem Beklagten erst im Dezember des Jahres 2016 zugestellt werden konnte. Der Beklagte erhob die Verjährungseinrede und berief sich darauf, dass ihm die Klage nicht mehr demnächst zugestellt worden ist. Das Verschulden des Klägers sah er darin, dass nach der Europäischen Zustellungsverordnung (EuZVO) auch die Möglichkeit gehabt habe, die Klage (zunächst) ohne Übersetzung zuzustellen.

Landgericht und Oberlandesgericht schlossen sich der Auffassung des Beklagten an. Nicht aber der Bundesgerichtshof. Er verweist darauf, dass die EuZVO dem „Zustellungsveranlasser“ (Kläger) das Wahlrecht einräumt, eine Klage mit oder ohne Übersetzung innerhalb der EU zustellen zu lassen. Es stelle keine nachlässige Prozessführung dar, so der Bundesgerichtshof, eine von der EuZVO eröffnete Art der Zustellung in Anspruch zu nehmen, auch wenn sich hierdurch die Zustellung im Vergleich zu anderen Möglichkeiten möglicherweise verzögere. Es bestehe weder eine Verpflichtung noch eine Obliegenheit des Zustellungsbetreibers (Kläger), die Klage ohne Übersetzung zustellen zu lassen. Es habe auch keine Verpflichtung oder Obliegenheit bestanden, anstelle der Bitte an das Gericht, die Klageschrift übersetzen zu lassen, zur größtmöglichen Beschleunigung die Klageschrift vor ihrer Einreichung selbst zu übersetzen oder übersetzen zu lassen.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Klage noch „demnächst“ zugestellt worden war, da die Gründe der Verzögerung nicht im Verantwortungsbereich des Klägers lagen. Damit war auch der mit der Klage geltend gemachte Anspruch nicht verjährt.

Anmerkung RA Greiner:

Das Urteil des Bundesgerichtshofs ist für Anwälte ausgesprochen erfreulich. Es bekräftigt, dass der Kläger das Wahlrecht der vom Gesetz eingeräumten Möglichkeiten hatte und ihm die Wahl auch nicht zum rechtlichen Nachteil gereichen konnte. Denn dabei ist auch zu bedenken, dass im Falle einer Zustellung der Klage (zunächst) ohne Übersetzung der Beklagte den Empfang genau deswegen hätte verweigern können. Der Kläger hätte also in einem zweiten Anlauf die Klagezustellung diesmal mit einer Übersetzung betreiben müssen. Das Ganze hätte dann eben auch zu einer Verzögerung geführt, die dem Kläger angelastet worden wäre. Daher sind die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts, die die Verantwortung für die verzögerte Zustellung noch beim Kläger sahen, eher fragwürdig.Sie verlangen vom Kläger eine Vorgehensweise, deren Folgen er selbst nicht steuern kann.

 

Gerhard Greiner

Rechtsanwalt