SONSTIGES

11.07.2024

Kurzarbeit - Eine schnelle Übersicht

Kurzarbeit ist ein Arbeitszeitmodell, das in Deutschland und vielen anderen Ländern eingesetzt wird, um Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu unterstützen und gleichzeitig Arbeitsplätze zu sichern. Doch was genau bedeutet Kurzarbeit? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein? Wann und in welcher Höhe wird Kurzarbeitergeld gezahlt? Wie ist der Ablauf? Kann während der Kurzarbeit eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen werden? Und was passiert mit dem Kurzarbeitergeld im Falle einer betriebsbedingten Kündigung während der Kurzarbeit? Und schließlich: Kann der Arbeitgeber einseitig Kurzarbeit einführen? Diese Fragen sollen nachstehend beantwortet werden.

1. Was ist Kurzarbeit?

Kurzarbeit bezeichnet eine vorübergehende Verringerung der regulären Arbeitszeit in einem Unternehmen aufgrund eines erheblichen Arbeitsausfalls. Dieser Arbeitsausfall kann durch verschiedene Faktoren verursacht werden, wie z.B. wirtschaftliche Schwierigkeiten, Lieferengpässe oder außergewöhnliche Ereignisse wie Pandemien. Ziel der Kurzarbeit ist es, Entlassungen zu vermeiden, indem die Arbeitszeit der Mitarbeiter reduziert wird, während ein Teil des entgangenen Arbeitsentgelts durch das sogenannte Kurzarbeitergeld (Kug) kompensiert wird.

2. Voraussetzungen für Kurzarbeit

Damit ein Unternehmen Kurzarbeit einführen und Kurzarbeitergeld beantragen kann, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Erheblicher Arbeitsausfall: Der Arbeitsausfall muss erheblich und vorübergehend sein. Dies bedeutet, dass ein erheblicher Teil der Belegschaft betroffen sein muss, und der Arbeitsausfall darf nicht dauerhaft sein.
  • Wirtschaftliche Gründe oder unvermeidbare Ereignisse: Die Ursachen des Arbeitsausfalls müssen entweder in wirtschaftlichen Gründen liegen oder auf ein unvermeidbares Ereignis zurückzuführen sein, das außerhalb des Einflussbereichs des Unternehmens liegt.
  • Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung: Die betroffenen Mitarbeiter müssen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein. Auszubildende und geringfügig Beschäftigte sind in der Regel ausgeschlossen.
  • Betriebliche Vereinbarung: Kurzarbeit muss im Betrieb vereinbart werden. Dies kann entweder durch eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat oder, falls kein Betriebsrat vorhanden ist, durch individuelle Vereinbarungen mit den betroffenen Mitarbeitern geschehen.
  • Anzeige bei der Agentur für Arbeit: Das Unternehmen muss den Arbeitsausfall bei der zuständigen Agentur für Arbeit anzeigen und die Kurzarbeit beantragen.

3. Wann und in welcher Höhe wird Kurzarbeitergeld gezahlt?

Das Kurzarbeitergeld wird gewährt, um den Verdienstausfall der Mitarbeiter teilweise auszugleichen. Die Höhe des Kurzarbeitergeldes beträgt in der Regel:

60% des entgangenen pauschalierten Nettoentgelts für Arbeitnehmer ohne Kinder.

67% des entgangenen pauschalierten Nettoentgelts für Arbeitnehmer mit mindestens einem Kind.

Diese Sätze können in bestimmten Situationen, wie z.B. während der COVID-19-Pandemie, durch Sonderregelungen erhöht werden.

4. Ablauf der Beantragung und Zahlung

Der Ablauf der Kurzarbeit und die Zahlung des Kurzarbeitergeldes folgen einem festgelegten Prozess:

  • Anzeige des Arbeitsausfalls: Der Arbeitgeber muss den Arbeitsausfall bei der zuständigen Agentur für Arbeit anzeigen und die Gründe darlegen. Dies sollte möglichst frühzeitig erfolgen, um eine reibungslose Bearbeitung zu gewährleisten.
  • Prüfung durch die Agentur für Arbeit: Die Agentur für Arbeit prüft die Anzeige und die Voraussetzungen für die Kurzarbeit. Ist alles ordnungsgemäß, wird die Kurzarbeit genehmigt.
  • Durchführung der Kurzarbeit: Nach Genehmigung durch die Agentur für Arbeit kann die Kurzarbeit im Unternehmen umgesetzt werden. Die Arbeitszeit der betroffenen Mitarbeiter wird reduziert, und das Kurzarbeitergeld wird gezahlt.
  • Antrag auf Kurzarbeitergeld: Der Arbeitgeber stellt monatlich einen Antrag auf Kurzarbeitergeld bei der Agentur für Arbeit. Dabei müssen die tatsächlichen Arbeitsausfälle und die Höhe des Verdienstausfalls dokumentiert werden.
  • Auszahlung des Kurzarbeitergeldes: Das Kurzarbeitergeld wird vom Arbeitgeber im Voraus bezahlt an die Arbeitnehmer bezahlt; er wiederum bekommt es im Nachgang von der Agentur für Arbeit bezahlt.

5. Betriebsbedingte Kündigungen während der Kurzarbeit

Die Einführung von Kurzarbeit soll in erster Linie Entlassungen vermeiden. Dennoch stellt sich die Frage, ob während der Kurzarbeit betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden können.

Grundsätzlich ist eine betriebsbedingte Kündigung während der Kurzarbeit möglich, jedoch müssen dafür strenge Voraussetzungen erfüllt sein. Eine betriebsbedingte Kündigung ist nur zulässig, wenn der Arbeitsplatz endgültig wegfällt und die Kurzarbeit nicht ausreicht, um diesen Wegfall zu kompensieren. Der Arbeitgeber muss zudem darlegen, dass er alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um den Arbeitsplatz zu erhalten.

6. Auswirkungen auf das Kurzarbeitergeld bei Kündigungen

Wenn während der Kurzarbeit eine Kündigung durch den Arbeitgeber ausgesprochen wird, ergeben sich folgende Konsequenzen für das Kurzarbeitergeld:

Beendigung des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld: Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses endet auch der Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Das bedeutet, dass der Mitarbeiter ab dem Zeitpunkt der Kündigung kein Kurzarbeitergeld mehr erhält.

Übergang zum Arbeitslosengeld: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der betroffene Mitarbeiter Arbeitslosengeld beantragen, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Das Arbeitslosengeld wird dann anstelle des Kurzarbeitergeldes gezahlt.

7. Kann der Arbeitgeber einseitig Kurzarbeit einführen?

Kurzarbeit kann nicht einseitig durch den Arbeitgeber angeordnet werden, sondern erfordert die Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer. Es gibt verschiedene Wege, wie diese Zustimmung erreicht werden kann:

Betriebsvereinbarung

Wenn es in einem Unternehmen einen Betriebsrat gibt, kann die Einführung von Kurzarbeit durch eine Betriebsvereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat geregelt werden. Diese Vereinbarung gilt dann für alle betroffenen Mitarbeiter, die durch den Betriebsrat vertreten werden.

Einzelvertragliche Vereinbarung

In Betrieben ohne Betriebsrat oder für Arbeitnehmer, die nicht durch eine Betriebsvereinbarung abgedeckt sind, muss die Zustimmung zur Kurzarbeit individuell zwischen dem Arbeitgeber und jedem einzelnen betroffenen Arbeitnehmer vereinbart werden. Dies kann beispielsweise durch eine Ergänzung zum bestehenden Arbeitsvertrag erfolgen, in der die Modalitäten der Kurzarbeit festgelegt werden.

Tarifvertragliche Regelungen

In manchen Branchen gibt es Tarifverträge, die Regelungen zur Einführung von Kurzarbeit enthalten. Ist ein solcher Tarifvertrag vorhanden und findet er auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, kann die Kurzarbeit auf Basis dieser tarifvertraglichen Regelungen eingeführt werden.

Einvernehmliche Regelungen

In einigen Fällen kann die Zustimmung zur Kurzarbeit auch durch einvernehmliche Regelungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern erfolgen, ohne dass eine formale Betriebsvereinbarung oder einzelvertragliche Änderung notwendig ist. Dies setzt jedoch voraus, dass alle betroffenen Mitarbeiter der Kurzarbeit ausdrücklich zustimmen.

8. Was passiert bei fehlender Zustimmung?

 

Falls ein Arbeitnehmer der Kurzarbeit nicht zustimmt, hat der Arbeitgeber grundsätzlich keine Möglichkeit, Kurzarbeit für diesen Mitarbeiter einseitig durchzusetzen. In solchen Fällen hat der Arbeitgeber folgende Optionen:

 

  • Ersatzmaßnahmen: Der Arbeitgeber kann versuchen, andere Maßnahmen zur Überbrückung der Krise zu ergreifen, wie z.B. Versetzungen, Änderung der Arbeitsaufgaben oder die Einführung von Überstundenabbau.
  • Kündigung: Wenn keine Einigung erzielt werden kann und der Arbeitsplatz aufgrund des Arbeitsausfalls nicht aufrechterhalten werden kann, könnte eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht gezogen werden.  

9. Praktische Tipps für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

 

a) Für Arbeitgeber:

 

  • Frühzeitige Kommunikation: Informieren Sie Ihre Mitarbeiter frühzeitig über die Möglichkeit der Kurzarbeit und die Gründe dafür. Eine offene Kommunikation kann Unsicherheiten und Ängste mindern.
  • Dokumentation und Nachweise: Stellen Sie sicher, dass alle notwendigen Dokumente und Nachweise für die Anzeige und den Antrag auf Kurzarbeitergeld vollständig und korrekt sind, um Verzögerungen zu vermeiden.
  • Beratung in Anspruch nehmen: Nutzen Sie die Beratungsangebote der Agentur für Arbeit oder anderer Fachleute, um den Prozess der Kurzarbeit reibungslos zu gestalten.

b) Für Arbeitnehmer:

 

  • Information einholen: Informieren Sie sich umfassend über Ihre Rechte und Pflichten während der Kurzarbeit. Sprechen Sie mit Ihrem Arbeitgeber und nutzen Sie Informationsangebote der Agentur für Arbeit.
  • Finanzplanung: Da das Kurzarbeitergeld nur einen Teil des bisherigen Einkommens abdeckt, sollten Sie Ihre finanzielle Situation überprüfen und gegebenenfalls Anpassungen vornehmen.
  • Qualifizierungsmaßnahmen nutzen: Nutzen Sie die Zeit der Kurzarbeit für Weiterbildungen und Qualifizierungsmaßnahmen, um Ihre beruflichen Fähigkeiten zu erweitern und Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.

10. Schlussbemerkung

 

Die Kurzarbeit ist ein komplexes, aber äußerst wertvolles Instrument zur Bewältigung wirtschaftlicher Krisen. Sie bietet sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmern eine Perspektive und trägt dazu bei, wirtschaftliche Stabilität zu wahren. Durch das Verständnis der Voraussetzungen, Abläufe und rechtlichen Rahmenbedingungen können alle Beteiligten besser auf die Herausforderungen der Kurzarbeit vorbereitet sein und diese Phase erfolgreich meistern.

 

Gerhard Greiner
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht